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Who Cares – Können Roboter pflegen?

Von Gesine Schmidt
In einer Fassung von Martín Valdés-Stauber

 Werkraum
 Uraufführung
 Premiere: 2.5.2021
 1 Stunde 30 Minuten
 Deutsch
 25 Euro, 6 Euro ermäßigt
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 Premiere: 2.5.2021
 1 Stunde 30 Minuten
 Deutsch
 25 Euro, 6 Euro ermäßigt

“Und dann muss man doch so ehrlich sein und sagen, ja gut, dann lasst uns doch Assistenzsysteme entwickeln, sodass es zumindest einfacher wird! Es löst nicht alle Probleme, aber es wird einfacher.”

Ist es möglich, menschliche Probleme technisch zu lösen? Für die Textentwicklung interviewte die Autorin Gesine Schmidt Techniker*innen, Ethiker*innen, und Pflegekräfte in Deutschland. Was verraten technische Visionen über unser Menschenbild? Wie reagiert unsere Gesellschaft auf den allseits proklamierten Pflegenotstand? Je mehr Lösungen diskutiert werden, desto offensichtlicher wird die gesellschaftliche Wunde: Der Pflegenotstand verweist auf unsere existentielle menschliche Fragilität, auf die wir keine Antwort im System finden, sondern nur in der gegenseitigen Zuwendung. Für diesen hochaktuellen Abend interpretiert Regisseur Christoph Frick mit seinem Schauspielensemble die O-Töne der Pflegeexpert*innen.

Für das Rechercheprojekt „Who Cares?“ interviewte Gesine Schmidt einen vielstimmigen Chor an Expert*innen, darunter eine Heimbewohnerin und die Heimleiterin eines Senior*innen- und Pflegeheims, Pflegekräfte, eine Pflegedienstleiterin und Vertreter*innen der Caritas. Der zweite Teil des Titels „Können Roboter pflegen?“ verweist auf Gespräche mit Ingenieur*innen der TU München sowie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, aber auch mit Projektleiter*innen und Marketingleiter*innen von Robotik-Firmen. Eine Psychologin, ein Techniksoziologe sowie eine Ethikerin teilten zudem grundsätzliche Überlegungen zur Pflegebeziehung, zu gesamtgesellschaftlichen Fragen sowie zur Schnittstelle Technologie und Pflege: Inwiefern kann Robotik einen Beitrag in der Pflege leisten? Ausgerechnet der Marketingleiter einer Robotik-Firma bringt die klaffende Wunde auf den Punkt: „Die Fallhöhe ist so groß, weil der Bedarf und der Schmerz so groß sind. Man hätte gerne eine Unterstützung, die immer da ist. Die immer funktioniert.“

Wir erkennen uns selbst in unserem Umgang mit den Hilfsbedürftigen, Gebrechlichen und Verwundbaren – und dennoch leiden die Pflegeberufe „unter der Leibnähe. Alles was leibnah ist, wird bei uns abgewertet“, wie es die interviewte Ethikerin auf den Punkt bringt.

In einer alternden Gesellschaft steigt die Anzahl Pflegebedürftiger stetig an. Medizin und Pflege müssten ebenso kontinuierlich einen immer größeren Raum in unserer Gesellschaft und bei der Bereitstellung Öffentlicher Güter spielen. Allerdings berichten die Expert*innen vor allem von einem Fachkräftemangel und mangelndem Interesse für diese gesellschaftliche Grundherausforderung.

Dazu eine Pflegedienstleiterin: „Liebe Gesellschaft, ihr erntet das, was ihr wollt! Das bekommt ihr. Wenn ihr Fachlichkeit wollt, dann setzt euch dafür ein! Wenn ihr eine hohe Qualität wollt, dann setzt euch dafür ein! Und wenn es egal ist, wie ein alter Mensch am Lebensende versorgt wird, dann kommuniziert das bitte auch so: Es ist egal, langt auch so.“

Bei welchen Pflegeaufgaben können die Assistenzroboter Lio, Garmi, Rollin Justin, Pepper eine Unterstützung sein? Was ist das Potential technischer Systeme bei der Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen? Erneut der Marketingleiter, nun zum Potenzial der Robotik: „Wir müssen heute überlegen, wo wollen wir die denn in Zukunft einsetzen? Und wo wollen wir sie auf keinen Fall einsetzen?“ Robotische Assistenzsysteme sollen ein Werkzeug sein, um letztlich das Pflegeverhältnis selbst verbessern zu können. Neben der mechanischen Unterstützung bei körperlichen Arbeiten scheint die Möglichkeit, Zeit durch Unterhaltung zu überbrücken, besonders vielversprechend.

Regisseur Christoph Frick nutzt mit seinem Schauspielensemble die O-Töne der Expert*innen, um grundsätzliche Fragen aufzuwerfen. Womit verbringen wir unsere Zeit? Wie begegnen wir den Pflegebedürftigen? Welchen Raum geben wir symbolisch und zeitlich dem Umgang mit Anderen? Dazu die erwähnte Ethikerin: „Das ist eine gesellschaftlich perfide Entwicklung: Wir haben alle keine Zeit, uns um die Alten zu kümmern. Alles scheint wichtiger zu sein, als tatsächlich diesem alten Menschen Gesellschaft zu leisten. Wir müssen wegziehen, wir müssen Karriere machen, wir müssen in den Urlaub fahren, wir müssen die 10. Folge der Staffel von ich weiß nicht was gucken.“

Der Theaterabend „Who Cares?“ stellt dabei nicht nur Fragen an Politik und unser gegenwärtiges Ich, vielmehr fragt uns ein zukünftiges Ich, wie werden wir unsere Gesellschaft eingerichtet haben, wenn wir selbst alt sind?

Eingeladen zum 39. Heidelberger Stückemarkt

  • Regieassistenz Joël-Conrad Hieronymus
  • Bühnenbildassistenz Leonard Mandl
  • Kostümbildassistenz Mirjam Pleines
  • Inspizienz Julia Edelmann
  • Regiehospitanz Shannon Harris
  • Produktionsleitung Technik Adrian Bette
  • Produktionsleitung Kunst Victoria Fischer
  • Bühnenmeister Josef Hofmann
  • Beleuchtung Diana Dorn, Nikolas Boden
  • Ton Katharina Widmaier-Zorn
  • Video Maurizio Guolo, Jake Witlen
  • Maske Raimund Richar-Vetter, Thomas Opatz
  • Kostüm Friederike Diemer
  • Requisite Anette Schultheiss, Sabine Schutzbach
  • Schreinerei Franz Wallner, Josef Piechatzek
  • Schlosserei Friedrich Würzhuber, Jürgen Goudenhooft, Stephan Weber
  • Tapeziererei Tobias Herzog, Martin Schall
  • Malsaal Evi Eschenbach, Jeanette Raue
  • Theaterplastik Maximilian Biek
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Vorstellungsbesuch „Who Cares?“ & Nachtgespräch „Who Cares? Do you Care?“
Nachgespräch zum Stück mit Pflegelernenden und Pflegelehrenden

Pressestimmen

„Viel hat man in den vergangenen Monaten über den Pflegenotstand gelesen; kaum ein Artikel traf so tief wie dieser Abend.“

Süddeutsche Zeitung • 3.6.21

„Doch bereits bevor die komplexe, intelligent geschachtelte Textgrundlage mit ihrer gewaltigen Wucht ins Hirn greift, berührt Christoph Fricks feinsinnige, abwechslungsreiche Regie. Die bringt je nach Bedarf Tempo, Dynamik und sogar Humor in den Abend..“

OVB Heimatzeitungen

„Regisseur Christoph Frick gelingt ein wahrhaftiges Kunststück – etwas so Schmerzhaftem wie dem bis zum Überdruss diskutierten Pflegenotstand eine frische Dringlichkeit zu vergeben.“

„Ironisch, aber nicht albern, ernsthaft, aber nicht schwermütig, rührend, aber nicht kitschig, zynisch, aber nicht verbittert, moralisch, aber nicht zeigefingrig.“

nachtkritik.de • 3.6.21