Theaterkasse
Maximilianstraße 26-28
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Von Wirtstöchtern und ihren Müttern
Mit Texten von Lena Christ und Annette Paulmann
Und, hat es dir geschadet? — Lena Christs „Erinnerungen einer Überflüssigen“ weitergedacht - ein Theaterabend über das Überleben.
Nach einer glücklichen Kindheit bei den Großeltern in Glonn kommt die achtjährige Lena Christ zu ihrer Mutter ins Wirtshaus nach München, wo sie fortan in der Küche und in der Gaststube tatkräftig mit anpacken muss, als kostenlose Arbeitskraft im Familienbetrieb. Was sich zunächst wie ein Geschenk anfühlt, entwickelt sich schnell zum Albtraum. Ihre Mutter gönnt ihr keinen guten Tag. Die „Wirtsleni“ leidet unter der Gleichgültigkeit und den brutalen Misshandlungen ihrer Mutter. Immer wieder versucht sie auszubrechen, immer wieder kehrt sie ins Wirtshaus und zur Mutter zurück.
Nach einer gescheiterten Ehe und drei Kindern gelingt ihr der Aufbruch in ein neues Leben – ein Leben als Schriftstellerin. Auf einer Parkbank vor der Alten Pinakothek sitzend beginnt sie, ihr Leben aufzuschreiben. Ihr erstes Buch „Erinnerungen einer Überflüssigen“ erzählt von einem kleinen Mädchen, das mit dem Wind um die Wette rennt und versucht, ihn zu überschreien. Es handelt von der gewaltsamen Unterdrückung der Mutter, den Schlägen des Ehemanns, aber auch vom mutigen Widerstand, vom Nichtaufgeben – und vom Überleben.
Über 100 Jahre später begibt sich Annette Paulmann auf die Suche nach Lena Christ und entdeckt ihre eigene Kindheit wieder – und wie es war, im Wirtshaus mit der Mutter… Ein assoziativer Theaterabend über zwei Biografien, der nach den Abgründen von Ausbeutung, Abhängigkeit und Liebe fragt: Vieles können wir entscheiden, aber nicht, wer unsere Mutter ist – und bleibt.
Wie immer kann man sich gar nicht satthören am kullernden Glucksen dieser verwurschtelten Primadonna, an ihrem Tonfall, der ein vorwurfsvoll-naives Staunen über die Zumutungen dieser Welt moduliert.
Ein Wunder, dass noch wer fröhlich zu sein vermag – oder zumindest so heiter-melancholisch wie Paulmann, wenn sie mit einem alten Bonanza-Rad ihre Runden auf der Bühne dreht und dazu „Mama, Mama, Mama“ ruft.
Die Hülle aus falsch verstandener Diskretion knackt die Kammerspielpremiere mit dem sperrigen Titel „Fünf bis sechs Semmeln und eine kalte Wurst“ beherzt. Auch wenn Schauspielende immer ihre Körper, Stimme, Mimik einem Abend zu Diensten stellen, ist bewundernswert, wie vorbehaltlos Annette Paulmann dieser Geschichte, die eben zum Teil ihre persönliche ist, ihre Gestalt leiht.