Theaterkasse
Maximilianstraße 26-28
Mo-Sa: 11:00 – 19:00 Uhr
+49 (0)89 / 233 966 00
theaterkasse@kammerspiele.de
Maximilianstraße 26-28
Mo-Sa: 11:00 – 19:00 Uhr
+49 (0)89 / 233 966 00
theaterkasse@kammerspiele.de
Hier finden Sie Ansprechpartner*innen aus der Dramaturgie, Kunst und Technik.
„Welche Anzahl von Welten nehmen wir an? Wie viele habe allein ich schon verbraucht?“ Eine Erzählerin führt uns in unermüdlichem Selbstgespräch durch ihren Versuch, etwas zu verstehen und zu ordnen, wo es vielleicht nichts mehr zu verstehen und zu ordnen gibt, sondern ein großes, allumfassendes Gefühl der Trauer alles Übrige verdrängt. Elfriede Jelineks jüngstes, zutiefst persönliches Stück „Asche“ ist der dritte Teil einer Trilogie, in der es um den Abschied von der Erde geht, die die Menschen zerstört haben. „Asche“ ist ein Text über das bereits „Verbrannte“. Das, was vorher lebendig war, ist nicht mehr wiederzuerkennen, hat seine Gestalt, seinen Duft, seinen Blick verloren. „Ich hab ein glühend Messer in meiner Brust, keiner zieht es mir raus, weil sonst an dieser Stelle ein Loch bliebe zum Durchschauen.“ Die Erzählerin hat ihren Gefährten verloren, den einzigen Menschen, der für sie zählte. Der Verlust stürzt alle Koordinaten ins Haltlose, den Blick auf sich selbst und den eigenen Körper, aber auch den Blick auf die Welt. Nichts ist mehr da, wo es hingehörte. Das hat allerdings auch hochkomische Züge: Je mehr sie versucht, Ordnung zu schaffen, desto mehr Unordnung entsteht. Die Erzählerin sucht ihre eigenen, verrutschten Körperteile und findet sie an unmöglichen Stellen wieder. „Bitte, was ist jetzt mit dem Körper? Bitte meinen nicht anschauen, auf Fotos andere bewundern.“ Mit gnadenlosem Sarkasmus führt sie uns ein „Alter ohne Gott“ vor, in dem wir schutzlos und im Kreis über die dunkle Heide irren. Weil wir verdammt nochmal nicht wissen, wie wir bloß jetzt von hier wegkommen sollen, und außerdem ist der Fahrkartenautomat wieder mal kaputt.
Die Erzählerin guckt auch über ihren eigenen Horizont hinaus und versucht, noch einmal etwas neu zusammenzusetzen: „Alles auf Anfang“! Selbst wenn es nur darum geht, zu verstehen, wie wir in diesen Schlamassel gekommen sind, warum uns kein Gott mehr haben will und warum wir Menschen mit einem so einzigartigen Talent ausgestattet sind, alles, aber auch wirklich alles kaputt zu machen? Die Erzählerin schaut bei Platon und Hesiod nach. Vielleicht ist hier ja eine tröstliche Betriebsanleitung zu finden, nach der die Natur und die ganzen Menschen, die als „böse Gäste“ die Erde verkonsumieren, besser miteinander auskommen würden? Leider Fehlanzeige, jetzt wird`s völlig abstrus: „Sagen wir, die Erde ist ein Würfel!“ (sagt Platon). Und der Gott, der immer schon gerne mit diesem Würfel rumgeschmissen hat, ist entschlussschwach und drückt sich vor der Entscheidung, wer die ewigen Verlierer sind auf der Erde. Dabei könnte man das inzwischen doch ziemlich deutlich sehen. Wer wird zuerst überflutet, wer verbrennt als erstes? Hesiod hilft uns auch nicht aus der Patsche mit seiner Titanen-Parade, einer vor Gewalt strotzenden Familiengeschichte, in der der Vater seine Kinder hasst und Gaia, die Mutter Erde, mit ihrem Sohn einen Komplott gegen den Vater schmiedet. „Hol`s der Geier, die Gaia, die Erda ist an allem Schuld“. Hauptsache nicht wir!
Wenn wir Menschen uns nicht ändern können (oder wollen), muss die Natur sich eben ändern. Schleunigst. Dafür entwirft Jelinek eine Zukunft auf einer Parallelerde, ohne kaputt gehende Körper, ohne Störungen, ohne Anfang und ohne Ende. (Es entfährt ihr an dieser Stelle ein „Gähn“.) Vorläufig aber sind wir noch nicht tot. Wir sind noch da, atmen, singen, schreiben, hören zu. Auch wenn es heiß unter unseren Sohlen wird. „Singet nicht! Blühet nicht!“ ruft die Erzählerin. Wir können sie immer noch hören, die „Lieder eines fahrenden Gesellen“ von Gustav Mahler, denen Jelinek beim Schreiben von „Asche“ gelauscht hat. „Asche“ ist ein Stück Sprachmusik, und so webt Falk Richters Inszenierung Motive aus Text, Musik und KI-Bildwelten dicht ineinander.
Viola Hasselberg
„Mein lieber Schatz, wir werden keinen Boden mehr unter den Füßen haben, wir werden selber Boden sein, ist das nicht fein!“ Mehr…
„Kling, kling, schönes Ding! Wie mir doch die Welt gefällt! Nur ich gefalle keinem mehr. Keiner dreht sich mehr nach mir um.“ Mehr…
„Was waren wir doch für böse Gäste! Nimmer hielten wir Ruh, nimmer hielten wir Rast, nicht bei Tag, noch bei Nacht, wenn wir schliefen.
Die letzten werden kein Grab mehr gekriegt haben, weil ihre letzten Gefährten zu faul zum Graben waren.“
– Elfriede Jelinek: „Asche“
Damit unsere Website technisch funktioniert, verwenden wir dafür erforderliche Cookies. Außerdem ermöglichen optionale Cookies eine bestmögliche Nutzung der Seite: einerseits zu Analysezwecken (Software Matomo, anonyme Auswertung) und andererseits, um Ihnen Medien über Drittanbieter wie YouTube anzubieten. Mit einem Häkchen geben Sie Ihr Einverständnis. Sie können jederzeit widerrufen. In unserer Datenschutzerklärung finden Sie weitere Details.
Notwendige Cookies helfen dabei, eine Website nutzbar zu machen, indem sie Grundfunktionen wie Seitennavigation und Zugriff auf sichere Bereiche der Website ermöglichen. Die Website kann ohne diese Cookies nicht richtig funktionieren.
Session-Cookies werden bis zum Schließen des Browsers gespeichert. Diese ermöglichen beispielsweise die Anmeldungen zum Pressebereich sowie die Ticketbestellungen über das Onlineformular.
Statistik-Cookies helfen Website-Besitzer*innen zu verstehen, wie Besucher*innen mit Websiten interagieren, indem Informationen anonym gesammelt und gemeldet werden. Das Analytik-Programm Matomo wird von dieser Website im datenschutzkompatiblen Modus ohne Cookies verwendet. Trotz der Analysemöglichkeit von Matomo ohne Cookies haben Sie als Seitenbesucher*in hier - unter Web-Analytik - eine Möglichkeit zum Widerspruch.
Externe Medien sind beispielsweise Inhalte von Videoplattformen und unseren Social-Media-Kanälen, die wir Ihnen als ergänzendes Angebot zur Verfügung stellen. Wenn Sie diese Cookies blockieren, werden diese Inhalte nicht angezeigt.
YouTube wird von dieser Website im »privacy modus« verwendet. Vor dem Besuch ist Ihre Einwilligung erforderlich.
Vimeo wird von dieser Website im Modus »Do Not Track« ohne Cookies verwendet. Vor dem Besuch bzw. Laden des Vimeo-Video-Scripts ist jedoch Ihre Einwilligung erforderlich.