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MK:

Sei du selbst

Von Julia Weber

Bevor ich vor den Vorhang trete und den Laufsteg hinunter, stolz und mit weiten Schritten, die Hüften in genau meinem Takt bewegend, so bewegend, dass ich in meiner Persönlichkeit sichtbar bin und auch das Gesicht so gerade haltend, wie nur ich es kann, weil ich bin, dann sage ich mir, du schaffst das. Innerlich, spreche ich zu mir. Du musst aus dir heraus. Treten. Du musst deine Persönlichkeit zeigen. Du musst zeigen wer du bist, in dem du stolz bist auf dem Laufsteg, es stimmt nicht, dass du schüchtern bist, das ist ein anderes, falsches Ich, nicht deines. Ich sage zu mir, jetzt gehst du raus und machst lange Schritte, das bist du, die die langen Schritte macht und keine Angst hat ihre Beine zu zeigen und auch keine Angst hat vor dem Laufsteg, der glatt ist. Und auch keine Angst vor dem Leben grundsätzlich, warum auch? Ist doch Leben viel Glitzer, darin. Hüpfburg. Mochte ich schon als Kind. Du hast keine Angst vor dem Versagen, vor dem Blamieren, vor dem Falsch Verstanden werden, vor dem Absinken, vor der Hölle, dem Feuer, den Höllenhunden, der Glut, dem Tod. Du bist die, sage ich zu mir, die keine Angst hat, dass ihre Augenbrauen zu struppig und die Beine zu weich sind, die Fingernägel angebissen und die Lippe aufgerissen, die Kniekehle mit Adern und die Zehen etwas krumm und die Finger Wurstfinder und die Zähne nicht weiss genug, überhaupt nicht weiss, eher wie Humus. Du bist die, sage ich zu mir, die keine Angst hat, dass die Hornhaut an ihren Fersen zu dick ist und dass wenn sie etwas gefragt wird, sie dann das Falsche sagt oder gar nichts sagen kann, ihr dann nichts einfallt, ausser, zu sagen, es gefällt mir hier. Du bist die, sage ich zu mir, die einen Regenschirm öffnet, in über die Schulter legt, ihn dreht und schwungvoll geht, die Hüfte hin und her, dass alle staunen, wie man überhaupt mir solch wunderbaren Beinen so wunderbar gehen kann, Du bist die, sage ich zu mir, die keine Angst hat, wenn der Busen aus dem Ausschnitt fällt. Dann wirst du einfach weiterlaufen, als wäre nichts gewesen, zwinkerst einmal jemandem zu und bei der nächsten Drehung packst du den Busen wieder ein, in den Ausschnitt, als packtest du dein Handy in dein Täschchen aus Forellenglanz. Sie werden staunen. Hab Mut, sage ich zu mir, geh raus und vergiss alles, was du Zweifel genannt hast, vergiss, dass du schüchtern bist, das bist du nicht, vergiss, dass du dir Gedanken machst, über die Welt und auch darüber, was die Welt von dir denkt. Sei du selbst.