Theaterkasse
Maximilianstraße 26-28
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+49 (0)89 / 233 966 00
theaterkasse@kammerspiele.de
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Photo: Maurice Korbel
Die Biochemikerin Fritzi erbt 2024 einen alten Hof. Sie und ihr Start Up möchten dort ein neues Saatgut entwickeln, das an den Klimawandel angepasst ist. Doch das geerbte Land trägt Spuren der Vergangenheit: Verdrängte Urkräfte und Erfahrungen zweier früherer Generationen, die hier an dieser Stelle gelebt haben, suchen Fritzi heim. Eingeflüstert und vorgeführt werden ihr diese von einer eigentlich unmöglichen Figur, die sich über alle Zeiten erstreckt, endlos erscheint und sich ständig verwandelt: das Universum.
Das Universum zeigt uns die Geister einer verdrängten Hungerkatastrophe aus dem 19. Jahrhundert: Geschwisterkinder mit unstillbarem Hunger, die sich auf der Suche nach einem Ausweg betend an Gott wenden. Ausgelöst durch einen Vulkanausbruch in Indonesien herrschen über die Jahre 1816 und 1817 in weiten Teilen Europas Kälte, Nässe, Missernte und in der Folge Hunger. Diese Extremerfahrung und weitere durch Kriege ausgelöste Hungersnöte machten neue Erfindungen dringlich: Von der Draisine, die die verendeten Pferde ersetzen sollte, bis zum Phosphatdünger, an dem Justus Liebig forschte. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts steht damit am Beginn einer Entwicklung, die zur immer weiteren Industrialisierung der Landwirtschaft, dem Einsatz von Chemikalien und dem rasanten Anstieg der Produktivität bis heute führte.
Das Jahr der Ölkrise 1973 forderte die Familie von Fritzis Großeltern besonders heraus. Dieses Zeitbild fügt sich in die Erzählung ein, wie die Fragmente eines Bauernstücks. Es erzählt die Schwierigkeit des Bauern Hermann, einen Hof gewinnbringend zu führen, von den Schulden, vom Konflikt um die Nachfolge, von den Kindern, die den Hof nicht übernehmen möchten. Diese Szenen sind zwar in den 1970er Jahren verortet, lassen sich aber gleichermaßen mit den Schwierigkeiten der Bauern heute verbinden. Mit der EU-Subventionspolitik, die sich nach dem zweiten Weltkrieg in Europa zur Nahrungsmittel-Sicherheit entwickelt hat, profitierten seit den 70er Jahren zunehmend die Großbetriebe. Für die Auszahlung der Subventionen zählt bis heute Fläche, nicht Tierwohl oder Qualität. Versorgten 1960 eine Landwirtin oder Landwirt in Deutschland statistisch noch 17 Menschen, steigerte sich die Produktivität bis 2021 um ein Vielfaches auf 139 Menschen.
Im Text liegen die zeitlichen Schichten nebeneinander, übereinander, wie Gesteinsschichten im Boden, die in einer Tiefenbohrung sichtbar werden. Oder wie die Bilder eines Traums, in dem sich Zeitdimensionen, Wünsche und Ängste vermischen. Sie holen Fritzi in unserer Gegenwart und sich selbst gegenseitig ein. Es ergibt sich ein multiperspektivisches Erzählen, in dem die Erfahrungswelten drei unterschiedlicher Zeiten miteinander kommunizieren.
In Kittsteins Sprache finden Stil und Motivik süddeutscher Volks- und Bauernstücke einen Wiederklang. „Bauern sterben“ von Franz Xaver Kroetz, uraufgeführt 1985 im Werkraum der Münchner Kammerspiele, ging von einem ähnlichen Punkt aus, wie die 1970er Jahre in „Land“, zieht aber völlig andere Konsequenzen: Auch Kroetz zeigt einen Generationenkonflikt, der sich an den Zwängen des Fortschritts entzündet. Er folgt seinem jungen Geschwisterpaar in die Stadt und lässt sie dort drastisch abstürzen. Kittstein und Fricks Figuren sind dahingegen weniger Spielball einer festgefahrenen gesellschaftlichen Ordnung. Ihre Haltungen drücken vielmehr beides aus: Teil eines gewordenen Systems zu sein, und darin nach verschiedenen Auswegen zu suchen.
Der Landwirt Hermann fragt 1973: „Komme ich da noch einmal heraus?“, und meint sein Schuldental. Ulrike, seine Tochter, sagt: „Du musst aufhören!“ Die Biochemikerin Fritzi ist dagegen rational und sagt 2024: „Wir haben diesen Weg gewählt.“ Sie sucht nach einer Lösung innerhalb des Systems. Am Ende sind es vielleicht die hungernden Kinder, die 1816 den radikalsten Aufbruch in die Zukunft wagen. Sie haben überlebt, sonst wären wir heute nicht da, wo wir sind. Und der Abend entlässt uns mit einem neuen Blick auf den Weg, den wir mit der Industrialisierung unserer Nahrungsmittelproduktion gegangen sind.
Olivia Ebert
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