Theaterkasse
Maximilianstraße 26-28
Mo-Sa: 11:00 – 19:00 Uhr
+49 (0)89 / 233 966 00
theaterkasse@kammerspiele.de
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Hier finden Sie Ansprechpartner*innen aus der Dramaturgie, Kunst und Technik.
Elke Bauer im Gespräch mit der Regisseurin Anne Sophie Kapsner
EB Junge Erwachsene lesen Platonow. Die Erwachsenenwelt, die Tschechow zeichnet, ist dramatisch: Geplatzte Träume, gescheiterte Existenzen, unerfüllte Liebe und Unverbindlichkeit.
ASK Tschechow war 18, als er das Stück geschrieben hat. Mich interessiert, was junge Menschen, die heute im gleichen Alter sind, über die Welt, die er da gezeichnet hat, denken.
EB Wir sehen den jungen Erwachsenen dabei zu, wie sie sich an diesem Klassiker abarbeiten.
ASK Sie suchen Zugänge, eignen sich die Texte von Tschechow an, schreiben selbst Texte und finden darüber das Eigene. Wir gucken gemeinsam, was jetzt relevant ist. Die ehrliche Auseinandersetzung mit dem Klassiker wirft sie auf sich selbst und ihre eigenen Themen zurück. Ich habe keine Lust, den jungen Menschen zu sagen: das spielen wir jetzt nach – das funktioniert für mich nicht. Es muss eine andere Form der Herangehensweise sein, damit sie mit dem, was sie persönlich sind und mitbringen auf der Bühne hantieren können.
EB Auf der Bühne sind sie in einem Irrgarten unterwegs und der gibt erst mal alle Wege vor.
ASK Im Prozess des Erwachsenwerdens muss ich mich entscheiden, wo es hingeht, wie ich mit vorgezeichneten Wegen und Erwartungen umgehe. Verirre ich mich, zerstöre ich Barrieren, kreiere ich etwas Neues. Das Erbe, die Sozialisation bleiben, aber ich habe die Möglichkeit, das umzuformen und irgendwie einen Umgang damit zu finden.
EB Wohin hat euch die Auseinandersetzung mit dem Stück gebracht?
ASK Junge Menschen gucken sich die Erwachsenenwelt an, die Tschechow gezeichnet hat. Sie streifen sie sich über, legen sie wieder ab, gucken, was es in ihrem Umfeld für Erwachsene gibt und versuchen, da irgendwie rein zu passen. Erwartungen und Druck kommen aus den verschiedensten Richtungen. Was sagt die Gesellschaft, was sagen die Eltern, was sagt Platonow? Wie kann ich allen Anforderungen genügen, mein Leben auf die Reihe kriegen? Welche Ansprüche habe ich selbst? Wie stelle ich mir meine Zukunft vor? Wie funktionieren Beziehungen? Alles Themen in dem Stück, die auch dem jungen Erwachsenenalter eingeschrieben sind.
Aus heutiger Sicht ist der Text voller Diskriminierungen und Sexismen. Deshalb haben wir erst mal alle Texte von Männern gestrichen und später die Aussagen, die über Frauen und über Platonow getroffen werden, wieder mit reingenommen. Was da übrig bleibt, ist ernüchternd: Die Frauen sprechen wenig und wenn sie sprechen, nicht miteinander, Alle richten sich nur an Platonow aus.
EB Wofür steht Platonow? Welche Reibungsfläche bietet er?
ASK Platonow ist Projektionsfläche, Vertreter einer Erwachsenenwelt und eine Form von Männlichkeit, die die jungen Menschen so erst mal abschaffen möchten. Alle Frauen im Stück fliegen auf diesen Typen, er ist ihr Zentrum, und er tut nicht wirklich was dafür. Aber eine nach der anderen kommt zu ihm, weil er irgendeine Art von Perspektive zu sein scheint. Bei unseren jungen Erwachsenen triggert das eine Empörung.
Ich glaube, in der heutigen Zeit darf Platonow gar nicht gut gefunden werden. Mit dem Feminismus, der jetzt da ist, darfst du diesen Menschen nicht attraktiv finden, dich nicht in ihn verlieben.
EB Über die Pandemie wollten wir ja eigentlich nicht sprechen, oder?
ASK Ja genau. Heute wirst du 18 und du darfst gar nichts, keine Partys, kein Rumgeknutsche, kein Ausprobieren. Im Sozialen finden wir uns, aber die jungen Leute heute sind seit Längerem in der Isolation, müssen sich die ganze Zeit mit sich selbst auseinandersetzen. Ich möchte gerade nicht jung sein.
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