Theaterkasse
Maximilianstraße 26-28
Mo-Sa: 11:00 – 19:00 Uhr
+49 (0)89 / 233 966 00
theaterkasse@kammerspiele.de
Diese Seite ist noch nicht in Leichte Sprache übersetzt. Sie wird jetzt in Alltagssprache angezeigt.
Maximilianstraße 26-28
Mo-Sa: 11:00 – 19:00 Uhr
+49 (0)89 / 233 966 00
theaterkasse@kammerspiele.de
Hier finden Sie Ansprechpartner*innen aus der Dramaturgie, Kunst und Technik.
Das Fremde, das Fremdheitsgefühl betrifft viele, denen Michel Friedman diesen Text gewidmet hat. 54 Absätze sind dort nachzulesen, absolut komprimierte Sprache, atemlose Gedankenfetzen.
Dies ist ein Buch über das Fremdsein.
Das Fremde – das äußere und das
innere.
Wer wie ich bis zum achtzehnten
Lebensjahr
mit einem Staatenlosen-Pass lebte,
wer wie ich Eltern hatte, die aus Polen
stammten und die Shoa überlebt
haben, in Paris aufgewachsen ist und
als jüdisches Kind nach
Deutschland kam, lebt im Nirgendwo.
Ist heimatlos.
Eine Erfahrung, die exemplarisch für
viele
Menschenschicksale sein könnte.
So ist dieses Buch allen Menschen
gewidmet, die irgendwo im Nirgendwo leben.
Irgendwo im Nirgendwo. Was dieses Grundgefühl seines Lebens bedeutet, schildert das Kind in seiner nicht enden wollenden Gedankenkette, vom Kind ins Erwachsenenalter. Mama- Papa-Kind sind die Koordinaten seiner Welt, in der ausgerechnet das Kind die Verantwortung fürs Leben, fürs Überleben, fürs Weiterleben übernehmen muss, denn seine Eltern sind Überlebende. Mama-Papa-Kind, kennen die meisten von uns. Nur hier sind die Voraussetzungen so anders, dass dieser Text jäh erhellend ist, einem körperlich einfährt, wie es ist, wenn man nicht den „richtigen“ Pass hat, nicht zur Mehrheit gehört, wenn man die „richtige“ Sprache nicht beherrscht. Noch schärfer ausgedrückt:
Was heißt es, wenn die eigenen Eltern „Brennmaterial“ waren für die Nazis? Hätten sie nicht auch das Kind töten wollen? Warum ist das Kind da, warum ist es dafür geboren, dass es hätte getötet werden sollen?
54 Kapitel in „Fremd“ stehen für die 50 Toten der Familie und für vier Überlebende: Mama, Papa, Kind, und die Großmutter. Von Oskar Schindler gerettet, leben sie nach einer gescheiterten Rückkehr in ihre Heimat Krakau zunächst in Paris, dann übersiedelt die Familie ausgerechnet nach Deutschland. Nur die Großmutter kann sich das nicht mehr vorstellen. Und das Kind ist erstaunt, dass dieses Land nicht aus großen Gefängnissen für sehr, sehr viele Mörder besteht, sondern nach Wohlstand duftet. Das Kind schildert den Kampf, in diesem Land ein „normales“ Leben zu führen. Sein Kindheitsberuf: „Lebensübersetzer“ für die Eltern, denen die Umstände des Faschismus und des Krieges die Möglichkeit geraubt haben, genug Bildung anzusammeln, um sich zu wappnen gegen Ausgrenzung und Abwertung. In bitterer Konsequenz besteht der Vater auf der Bildung seines Kindes, denn das, „was im Kopf ist, können sie Dir nicht nehmen.“ Sprechen können heißt Mitsprechen heißt Handeln. Im besten Fall. Das Kind strengt sich an, kriegt ein Abiturzeugnis und später ein Bundesverdienstkreuz. Oft aber siegt die innere Angst, siegen die Schatten, die Erinnerungen. Und in Deutschland heulen die „Wölfe“ schon wieder. Das Kind muss Abschied nehmen von den Eltern, auf den es von ihnen nicht vorbereitet worden ist. „Trauer bringt um, Trauer lähmt, Trauer zerstört. Zumindest am Anfang, der lange dauern kann. Wie lebt man? Weiter. Kein Zeitgefühl. Kein Menschengefühl. Kein Lebensgefühl.“ Das Kind wütet, will sich selbst auslöschen und macht doch weiter.
In „Fremd“ geht es nicht nur um die Geschichte eines jüdischen Kindes in der Vergangenheit, es geht um viele Meschen in vielen Minderheiten, um Communities, die Diskriminierungserfahrungen teilen, um Migrant*innen, um Queere. Es geht um uns, die wir immer wieder wegschauen, misstrauen, verharmlosen, nicht mitfühlen, nichts fühlen. Es geht um Jetzt. Michel Friedman warnt vor einem Jahrhundert der Diktatur: „Ich verstehe nicht, warum Menschen, die selbst keine Juden sind, nicht bemerken, dass dort, wo die autoritäre Geisteshaltung ihren Platz gefunden hat, nicht nur die Minderheiten, sondern auch sie selbst ihre Lebensqualität verlieren. Die Schlinge des Autoritären schließt sich auch um ihr Leben.“
Die Schauspielerin Katharina Bach und die Regisseurin Katrin Lindner haben sich diesem Text gestellt und bringen ihn in einer maximalen Direktheit auf die Bühne. Zwischen dem Text und den Zuhörenden gibt es nichts, was ablenken oder moderieren könnte, kein Bühnenbild, keine gepflegte Distanz des Rezitierens, sondern der Text läuft durch den Körper der Spielerin, ergreift Besitz von ihm. Die sichere Grenze zwischen Bühne und Zuschauerraum ist aufgebrochen, wir sind in einem Gespräch. Wir sitzen als Wir einer einzelnen gegenüber. Die Proben bestanden aus vielen Durchläufen, Nachdenken, wieder durch, wieder rein – in das Fremde.
Viola Hasselberg
„Warum haben Elefanten rote Augen? – Damit sie sich besser im Kirschbaum verstecken können.“
„Aber ich habe noch nie einen Elefanten in einem Kirschbaum gesehen!“
„Da kannst Du mal sehen, wie gut die sich verstecken können“.
(aus: „Fremd“)
„Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus“, so lautet die erste Zeile des Liederzyklus´ „Winterreise“ von Franz Schubert. Der Protagonist reist hier von der Fremde in die Fremde, ohne jemals wirklich anzukommen.
Katharina Bach und der Pianist Yuriy Sych haben das Lied neu interpretiert und leiten damit den Abend ein. (Kopfhörer empfohlen)
Damit unsere Website technisch funktioniert, verwenden wir dafür erforderliche Cookies. Außerdem ermöglichen optionale Cookies eine bestmögliche Nutzung der Seite: einerseits zu Analysezwecken (Software Matomo, anonyme Auswertung) und andererseits, um Ihnen Medien über Drittanbieter wie YouTube anzubieten. Mit einem Häkchen geben Sie Ihr Einverständnis. Sie können jederzeit widerrufen. In unserer Datenschutzerklärung finden Sie weitere Details.
Notwendige Cookies helfen dabei, eine Website nutzbar zu machen, indem sie Grundfunktionen wie Seitennavigation und Zugriff auf sichere Bereiche der Website ermöglichen. Die Website kann ohne diese Cookies nicht richtig funktionieren.
Session-Cookies werden bis zum Schließen des Browsers gespeichert. Diese ermöglichen beispielsweise die Anmeldungen zum Pressebereich sowie die Ticketbestellungen über das Onlineformular.
Statistik-Cookies helfen Website-Besitzer*innen zu verstehen, wie Besucher*innen mit Websiten interagieren, indem Informationen anonym gesammelt und gemeldet werden. Das Analytik-Programm Matomo wird von dieser Website im datenschutzkompatiblen Modus ohne Cookies verwendet. Trotz der Analysemöglichkeit von Matomo ohne Cookies haben Sie als Seitenbesucher*in hier - unter Web-Analytik - eine Möglichkeit zum Widerspruch.
Externe Medien sind beispielsweise Inhalte von Videoplattformen und unseren Social-Media-Kanälen, die wir Ihnen als ergänzendes Angebot zur Verfügung stellen. Wenn Sie diese Cookies blockieren, werden diese Inhalte nicht angezeigt.
YouTube wird von dieser Website im »privacy modus« verwendet. Vor dem Besuch ist Ihre Einwilligung erforderlich.
Vimeo wird von dieser Website im Modus »Do Not Track« ohne Cookies verwendet. Vor dem Besuch bzw. Laden des Vimeo-Video-Scripts ist jedoch Ihre Einwilligung erforderlich.