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Digitales Programmheft „Tristan (und Isolde)“

Die Legende von Tristan und Isolde fasziniert Literat*innen seit dem 13. Jahrhundert und wurde in zahlreichen Variationen immer wieder neu erzählt. Besonders prägend adaptierte Richard Wagner diesen Stoff und beeinflusste damit nachhaltig die Rezeption des Mittelalters. Basierend auf dem Versroman Tristan des mittelalterlichen Dichters Gottfried von Straßburg widmet sich der Abend den Fragen: Wie lieben wir? Wie verhandeln wir vielfältige und komplexe Beziehungsgeflechte? Und wie gehen wir mit dem archetypischen, männlichen Heldenbegriff um?

Die Inszenierung versteht diese alte Geschichte als lebendigen Stoff, der im Hier und Jetzt zur Verhandlung steht. Nach Produktionen wie Antigone und Leonce und Lena ringt das Team um Nele Jahnke dem Kanon neue Perspektiven ab – ergänzt, kürzt, hinterfragt: Wer darf sprechen? Was braucht es, dass Menschen in Beziehung und Gesellschaft verbunden bleiben und bereit sind zu verhandeln? Wo endet Sprache – und wo beginnt der Körper?

Eine Geschichte, die sich den Normen von Gesellschaft und Funktionalität widersetzt. Die Liebe zwischen Tristan und Isolde, die durch einen Zaubertrank entfacht wird, wird zur Chiffre für die Entscheidung dreier Menschen, ihrer Sehnsucht zu folgen und gegen die Ordnung zu leben, die sie umgibt. Die Inszenierung liest diese Geschichte nicht als Tragödie eines Liebespaares, sondern als offenes Verhandlungsfeld. Liebe erscheint als Zustand, als Handlung, als Widerspruch.

Tristan (Dennis Fell-Hernandez) erscheint zunächst als Inbild männlicher Stärke: Ritter, Kämpfer, Liebender – doch je tiefer die Liebe greift, desto mehr bröckelt sein heldisches Selbstbild. König Marke (Eyk Kauly), sein Onkel, ist das stille Gegenbild: ein gütiger, verstehender Mann, der, statt in Zorn zu verfallen, die Tragik der Liebe erkennt. Isolde (Johanna Kappauf) wird als schöne, stille Prinzessin imaginiert, doch in ihr tobt eine Wut, die sogar zur Gewalt gegen ihre engste Vertraute fähig ist. Brangäne (Maren Solty), diese Vertraute, ist die Stütze im Schatten – treu, schützend, fast aufopfernd: „Immer an deiner Seite, nie im Licht, doch nah bei dir.“ Die Mütterfiguren, Blanscheflur, Tristans verstorbene Mutter, und Königin Isolde, Isoldes Mutter (gespielt und gesungen von Jelena Kuljić), tauchen wie Erinnerungen oder Geister auf und weben eine zweite Ebene weiblicher Präsenz ins Geschehen.

Die Fünf Spieler*innen stehen gemeinsam mit Gebärdensprachedolmetscher*innen auf der Bühne. Sie bedienen sich unterschiedlicher sprachlicher und körperlicher Ausdrucksformen: Lautsprache, Gebärdensprache, Visual Signs, Mittelhochdeutsch, Lip-Sync, Gesang, Musik und Bewegung und allem dazwischen. Gemeinsam mit Hans-Jakob Mühlethaler entwickelte das Ensemble Musikstücke, die sich zwischen Lautsprache, Deutscher Gebärdensprache und Visual Signs (VS) befinden. Visual Signs ist eine lautlose Kunstform, die nicht über das gebärdete Wort, sondern auf pantomimische Weise erzählt wird. Die Durchlässigkeit in den Mitteln spiegelt sich ebenso in Kostüm und Bühne wider, die sich zwischen abstrakter Form und deutlicheren Referenzen des Enstehungszeitraums des Versromans changieren. Das Herzstück des Raumes bildet ein Kettenvorhang, der sich zwischen weichen Wellenbewegungen, musikalischer Übertragung in Vibration und erdrückender Materialität befindet.

Mit Tristan (und Isolde) entsteht ein Raum der Sehnsucht – zwischen Klang und Stille, zwischen Wort und Gebärde, zwischen individueller Erfahrung und kollektiver Erzählung. Eine sinnliche, offene Einladung, gemeinsam in diese Zwischenräume zu treten, Widersprüche zuzulassen und Gemeinschaft auszuhandeln.

Paulina Wawerla

Matthias Laufhütte, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LMU München und Mediävistik-Berater der Produktion “Tristan (und Isolde)”, schreibt über den Text, der Literat*innen seit Jahrhunderten fasziniert.

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Sprechen über Gehörlosen-Kultur und -Kunst.

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Johanna Kappauf über Tristan und Isolde

Tristan und Isolde lieben sich
wir finden uns toll
wir dürfen aber nur immer heimlich zusammen sein
Sich treffen allein
Durch einen trank
Einen Liebestrank
Wird die Liebe stärker
Hat jeder für den anderen ein Herz?
Aber wir haben auch Schmerz
wir dürfen nicht das machen, was wir wollen
Weil auch andere Personen die Entscheidungen über uns treffen
Wo gehören wir dazu?
Tristan ist ein Ritter und ich eine Königstochter
Dann hat man gewisse Aufgaben
Mit jemand zusammen ist zusammen bleiben
Aber ich habe ja König Marke geheiratet
Wenn man sich alleine entscheiden will oder darf oder muss

Wer hat die Macht? Wer darf über den anderen entscheiden?
Was wäre, wenn wir ohne Sorgen unsere Liebe leben könnten?
Und wir auch mal traurig sein und Schwäche zeigen dürfen
Und offen darüber reden
Es muss nicht immer alles schön und toll sein
Liebe hat vielleicht bei uns beiden unterschiedliche Sprache
Der Körpernähe und das gemeinsame Singen
Oder sich Geschichten erzählen
Das nicht perfekt sein
Darf auch zum Vorschein kommen?
Ich finde, wir beiden müssten über unsere Probleme reden
Mit dem König Marke
Oder warum kehren wir zu Marke zurück, wenn wir so glücklich sind?
Und ihre Liebe lieben dürfen
Vielleicht nicht immer mit Hass und verstoßen und Macht reagieren
Die Liebe ist doch etwas Schönes
Aber ich finde, sie muss nicht hoch gelobt werden
Weil Menschen auch Ängste Sorgen sind
Wieso müssen wir uns immer beweisen das verstehe ich nicht
Es ist auch ein Leistungsdruck da, und das muss man nicht schaffen
Ich, Isolde, bin auch keine Heldin
Brauchen wir die ich finde, nein

Postheroismus

Heroische Werte sind in westlichen Gesellschaften nicht mehr en vogue. Was aber passiert, wenn die Figur des Helden nur noch als Superman oder Harry Potter anrückt? Über Helden und eine Gesellschaft, die scheinbar keine Heroen mehr braucht.

Lesen Sie hier einen Beitrag des Deutschlandfunk Kultur.

Anlässlich der neuen Veröffentlichung von „Tristan und Isolde“.

Hören Sie hier ein Special des Deutschlandfunk!