Theaterkasse
Maximilianstraße 26-28
Mo-Sa: 11:00 – 19:00 Uhr
+49 (0)89 / 233 966 00
theaterkasse@kammerspiele.de
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Das Podium auf dem Frauenfriedenskongress in Den Haag.
Von links nach rechts: Lucy Thoumaian (Armenien, 1890-1940), Leopoldine Kulka (Österreich, 1872-1920), Laura Hughes (Kanada, 1886-1966), Rosika Schwimmer (Ungarn, 1877-1948), Anita Augspurg (Deutschland, 1857-1943), Jane Addams (USA, 1860-1935), Eugénie Hamer (Belgien, 1865-1951), Aletta Jacobs (Niederlande, 1854-1929), Chrystal Macmillan (Großbritannien, 1872-1937), Rosa Genoni (Italien, 1867-1954), Anna Kleman (Schweden, 1862-1940), Thora Daugaard (Dänemark, 1874-1951), Louise Keilhau (Norwegen, 1860-1927)
Dieser Abend ist Inspiration und Eröffnung des Festivals „Female Peace Palace“: Mit ihrer Stückentwicklung beleuchtet die Regisseurin Jessica Glause nach „Bayerische Suffragetten“ ein weiteres vergessenes Kapitel der Münchner Frauenbewegung und vernetzt das feministische Erbe unserer Stadt mit heutigen Debatten.
Den Ausbruch des Ersten Weltkriegs beschreiben die Münchner Feministinnen Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann 1914 als „größtes Verbrechen“ und „Kulminationspunkt männlicher Raff- und Zerstörungswut“. Der Krieg unterbricht ihre Kämpfe um das Frauenwahlrecht. Er bedroht das mühsam eroberte freie Leben als Frau im libertären und künstlerfreundlichen München. Und er unterbricht die feministische medizinische Forschung von Hope Bridges Adams Lehmann und Aletta Jacobs, zwei der ersten Gynäkologinnen Europas, die bereits vor 1900 die weiblichen Geschlechtsorgane und vor allem die Klitoris als Zentrum sexueller Lust so anatomisch genau zeichneten, wie sie bis heute nur in wenigen Biologiebüchern abgebildet ist.
Dem nationalistischen Kriegstaumel setzen Augspurg und Heymann ihre internationale Vernetzung entgegen: Gemeinsam mit der niederländischen Gynäkologin und Frauenrechtlerin Aletta Jacobs und weiteren Verbündeten organisieren sie 1915 einen großen Friedenskongress in Den Haag. Nachdem bei den ersten beiden internationalen Haager Friedenskonferenzen 1899 und 1907 nur Männer zugelassen werden, schreiben diese Frauen mit der Versammlung von über 1500 Frauen aus 16 Ländern im April 1915 Geschichte. Die Presse reagiert mit Häme, aber vereinzelt auch mit Anerkennung für die Frauen, die ohne aktives oder passives Wahlrecht, visionäre Resolutionen zwischen Delegierten aus kriegsführenden und neutralen Ländern aushandeln. Heute ist die Versammlung kaum bekannt, auch wenn sie wichtige Impulse für den erst drei Jahre später vereinbarten Friedensschluss liefert.
Die Stückentwicklung „Anti War Women“ blickt auf den Friedenskongress als Ereignis transnationaler Solidarität. Der Text verschneidet Auszüge aus den originalen Reden und Resolutionen von Augspurg, Heymann, Jacobs, der ungarischen Delegierten Rosika Schwimmer, der belgischen Delegierten Eugénie Hamer und von der US-Amerikanerin Jane Addams, die die Präsidentschaft des Kongresses übernahm. Wie schafften es die Frauen, sich gemeinsam an einen Verhandlungstisch zu setzen, obwohl ihre Länder miteinander im Krieg standen und ihre Männer und Söhne sich an der Front gegenseitig bekämpften? Auf welche Resolutionen können sie sich einigen? Augspurg und Heymann mussten insbesondere um das Vertrauen der Belgierinnen bangen. Schließlich führte Deutschland zeitgleich einen blutigen Angriffskrieg in Belgien und hatte 6 Tage vor Kongressbeginn noch erstmals Giftgas in Ypern eingesetzt.
„Dieser Friedensschluss, den wir alle ersehnen, trägt das Schicksal Europas im Schoß.“
Zwei weitere Frauen, die nicht auf dem Kongress 1915 waren, schalten sich mit ihren Stimmen im Laufe des Abends ein: Hope Adams Bridges Lehmann, die mit Clara Zetkin und dem Pazifisten Ludwig Quidde befreundet ist, setzt 1914 ein eigenmächtiges Zeichen gegen nationalistische Propaganda: Sie reist auf eigene Faust nach England, um Stimmen von englischen Kriegsgegnern zu sammeln und anonym in Deutschland zu veröffentlichen. Und die afroamerikanische Bürgerrechtlerin und Suffragette Mary Church Terrell erinnert daran, dass Kriege auch befreien können.
Sechs Schauspielende leihen ihre Körper und Stimmen diesen mutigen Frauen, die sich mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht von ihren Freiheitsbestrebungen abringen ließen. Sie setzten sich individuell in ihren Berufen als Ärztinnen, Juristinnen, Journalistinnen und in internationaler Vernetzung als Feministinnen und Kriegsgegnerinnen für Demokratie und freies Leben, für politische und körperliche Selbstbestimmung ein und können damit noch heute inspirieren.
Die Regisseurin Jessica Glause setzt mit der Stückentwicklung „Anti War Women“ ihre Recherche zur Münchner Frauenbewegung nach dem erfolgreichen Abend „Bayerische Suffragetten“ (Spielzeit 20/21) an den Münchner Kammerspielen fort. Ihr Schwerpunkt liegt auf recherchebasierten Stückentwicklungen und zeitgenössischer Dramatik. Glauses Inszenierungen wurden zu zahlreichen Festivals eingeladen und mit Preisen ausgezeichnet. Große Aufmerksamkeit erhielten ihre Musiktheaterproduktionen über Migration und Inklusion an der Bayerischen Staatsoper. 2018 verlieh ihr die Stadt München den Förderpreis Theater. Zurzeit inszeniert sie am Schauspiel Frankfurt, am Theater Freiburg und den Münchner Kammerspielen.
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